Gamsfilet, in Wacholder gebeizt


"Gemse gehört mit vollstem Rechte

unter die besten Braten,

und wird an königlichen Tafeln gegeben."

(Anweisung in der feinren Kochkunst, 1858)

Ab in die Heia - das Gamsfilet ruht über Nacht im Kühlschrank, bedeckt mit Folie und Wacholderbeeren.


Ein Originalrezept für Gamsbraten à la Franz Joseph war leider nicht aufzutreiben. Aber Reminiszenzen: Wildfleischrezepte der k. u. k.-Zeit, meist "auf böhmische Art", mit Speck und Sauerrahm - und viel Mehl in der Sauce. Genau das aber wollte ich nicht. Wenn ich schon EINMAL im Leben Gams esse, möchte ich eine Ahnung davon bekommen, welchen Fleischgeschmack die kaiserlich-königliche Familie wohl auf der Zunge hatte, wenn sie im Grauen Salon in der Kaiservilla en famille speiste. Und deshalb ist meine Interpretation zwar durchaus eine Hommage an die Rezepte der Zeit, mit Speck und viel Geduld und Muße als wichtigsten Zutaten. Meine Sauce schmurgelt gute fünf Stunden vor sich hin und darf dann wie bei einem ordentlichen Gulasch nochmals über Nacht zur Ruhe kommen. Und weil Wacholderbeeren das Nonplusultra nicht nur bei heutigen, sondern auch den dazumaligen Rezepten sind, dürfen sie hier ein bisschen größer aufspielen. Als Beilage zum Filet gab's bei uns Böhmische Serviettenknödel. Und ein i-Tüpfelchen, das ich am Schluss verrate.

Zutaten:

 

Gamsfilet

  • ca. 1 kg Gamsrückenfilet am Knochen
  • 1 EL Wacholderbeeren

Saucenfond

  • 100 g geräucherter Bauchspeck
  • 2 EL Butterschmalz
  • 2 Zwiebeln
  • 1/4 Knollensellerie
  • 3 kleine Karotten
  • 1/2 Stange Lauch
  • 2 EL Tomatenmark
  • 1 ordentlicher Schuss Cognac (nur nicht schüchtern!)
  • 1 Lorbeerblatt
  • 1 Zweig Rosmarin (ich hatte noch getrockneten aus dem Italienurlaub)
  • 1 TL getrockneter Thymian oder Bohnenkraut
  • 4 Gewürznelken
  • 1 TL schwarze Pfefferkörner
  • 1 TL Wacholderbeeren
  • 1/2 l Rotwein
  • Salz

 

Finish

  • 1 Bio-Orange
  • 1 Bio-Zitrone
  • 250 g Champignons
  • 1/2 Bund glatte Petersilie
  • 2 EL + 1 EL Butterschmalz
  • 1/8 l + 3 EL Portwein
  • 2 TL Speisestärke
  • Salz, schwarzer Pfeffer aus der Mühle
  • 1 EL Brombeergelee
  • 1 EL eiskalte Butter

Für 4 Portionen


Nur nicht zimperlich: Erst das Fleisch vom Knochen lösen.

So geht's:

  • Am Vortag die Gamsfilets von den Knochen lösen und von den Sehnen befreien. Fleisch trockentupfen, quer in circa 4 cm dicke Scheiben schneiden und auf einen Teller legen. Wacholderbeeren mit dem Messerrücken andrücken, über die Filetstücke streuen, Filets mit Klarsichtfolie bedecken und über Nacht in den Kühlschrank stellen.
  • Für den Saucenfond  die Knochen ein, zweimal zerhacken. Bauchspeck fein würfeln, Butterschmalz in einem hohen, breiten Saucentopf auf mittlerer Stufe zerlassen und die Speckwürfel darin goldbraun anbraten.
  • In der Zwischenzeit die Zwiebeln schälen, halbieren, in grobe Stücke schneiden; Sellerie und Karotten schälen und würfeln, Lauch putzen, waschen und in grobe Streifen schneiden (nicht zu fein).
  • Knochen und Sehnenstücke zum Speck in den Topf geben und einige Minuten von allen Seiten gut anrösten, Gemüsestücke dazugeben, unter gelegentlichem Rühren ein paar Minuten mitrösten, Tomatenmark hinzufügen, ebenfalls unter Rühren leicht rösten und karamellisieren lassen, anschließend alles mit einem guten Schuss Cognac ablöschen und den Alkohol unter Rühren verdampfen und etwas einköcheln lassen.

Die Dame hat sich bemüht - kein Knochenjob!


"Von einer Gemse werden sonstige Abgänge genommen,

diese zerhackt und hiervon

eine Essenz bereitet"

(Anweisung in der feinren Kochkunst, 1858)

  • Weiter geht's mit der Sauce: Sobald der Cognac sich verdünnisiert hat, Lorbeerblatt, Kräuter, Gewürznelken, Pfeffer und Wacholderbeeren dazugeben, mit Rotwein aufgießen und alles im offenen Topf bei sehr kleiner Hitze gut fünf Stunden lang leise vor sich hinziehen lassen. Dabei reduziert sich die Flüssigkeit und das Aroma des Fonds wird immer intensiver (ich hab übrigens auch noch die Speckschwarte dazugelegt, schadet ja nicht ...).
  • Nach den fünf Stunden mal probieren: Fehlt noch etwas Salz? Vielleicht etwas Pfeffer? Dann erstmal abschmecken und anschließend den Herd in den wohlverdienten Feierabend schicken. Deckel auf den Topf und ab in die Kälte damit (bei uns war's der Balkon, war ja winterlich frisch). Falls das nicht möglich ist: Topf mit dem Fond erstmal bei Raumtemperatur vollständig auskühlen lassen und dann erst in den Kühlschrank stellen.

So sieht die Sauce nach der Nachtruhe aus.

Ist aber noch nicht fertig. Erst der Zwischenschritt!

  • Am nächsten Tag zwei Stunden vor Zubereitung des Fleisches die marinierten Gamsfilets aus dem Kühlschrank nehmen und die Wacholderbeeren entfernen. Saucenfond langsam erhitzen; sobald er leise zu köcheln beginnt, Topf vom Herd nehmen und den Fond durch ein Sieb in einen zweiten Topf umschütten. Mit einem Kochlöffel das Gemüse und die Knochen im Sieb ausdrücken, damit so viel Saft wie möglich in den Saucentopf tropft. Sauce erstmal beiseite stellen; Gemüse auf den Kompost, Knochen in den Restmüll (unser Hund hat kaum noch Zähne).
  • Eine halbe Stunde vorm Servieren: Bio-Zitrone und Bio-Orange heiß abwaschen, trockentupfen; Petersilie abbrausen und trockenschütteln (siehe Link zu meinen Tipps "Foodtorialistic!"); Champignons putzen und vierteln. Backofen auf 80° C vorheizen.
  • Butterschmalz in einer feuerfesten Pfanne (am besten Gusseisen) erhitzen. Gamsrückenfilets von jeder Seite eine gute Minute im Schmalz anbraten, mit 1/8 l Portwein ablöschen, salzen, pfeffern und anschließend mit der Pfanne 15 Minuten in den warmen Ofen schieben.
  • Für das Finish die Sauce nochmals erwärmen und leicht einköcheln lassen. Speisestäre mit 2, 3 EL Portwein glattrühren und die Sauce unter Rühren damit binden; Sauce mit abgeriebener Zitronen- und Orangenschale und dem Brombeergelee abschmecken.
  • Restliches Butterschmalz in einer Pfanne erhitzen und die Champignons darin goldbraun braten. Zwischenzeitlich die Petersilie fein hacken.
  • Gamsfilets auf vorgewärmte Teller verteilen, den Bratensaft sowie 1 EL eiskalte Butter in die Sauce einschwenken, Champignons dazugeben und die Filets mit der Sauce und feingehackter Petersilie anrichten.

Wie es so war in den alten Zeiten: viiiiel Sauce! Deshalb auch der Böhmische Serviettenknödel. Der saugt das so richtig schön auf. Und bitte jetzt bloß keine Bedenken wg. Speck und Butterschmalz und Cognac & Co: Isst man ja nicht alle Tage! Wenn man dem Kaiser geschmacklich auf die Schliche kommen möchte, darf man nicht mit dem Kalorienzähler fuchteln!

Und wie hat das Fleisch geschmeckt? Unvergleichlich. Mir persönlich noch besser als Hirsch oder Reh. Sahniger, leicht karamellig. Der Portwein ist dafür wie geschaffen, die Brombeeren auch. Und wir aßen Apfelmus dazu, selbstgemacht aus den Äpfeln vom Garten. Ein fürstlicher Genuss.


"Es war sehr fein, es hat mir gut geschmeckt."

(nicht überliefertes Bonmot Ihrer Majestät)


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