FoodTorian Talk:

Josef Zauner - Der Häferlgucker

Einfach mal reinspitzen ...

Ein Häferlgucker - ja, was ist das denn? Nun, zum Beispiel ein stattlicher Herr mit Kochmütze (pardon, in Österreich: Kochhaube), der nicht nur am Herd stehen und den Löffel telegen schwingen, sondern dazu auch noch fundamentales Geheimwissen vermitteln kann. Heute sagt man TV-Koch dazu. Im ORF trug eine Sendung diesen Namen: Der Häferlgucker war eine der ersten Kochshows im deutschsprachigen Fernsehen überhaupt, ab 1978, ein Quotenhit. Die Herren Köche, die da durchs Programm führten, wurden als Grandseigneure der Koch- und Backkunst verehrt, mit allen Wassern gewaschene Könner, die aus dem Topfdeckelchen plauderten. Konditormeister Josef Zauner aus Bad Ischl ist eine dieser lebenden Legenden. Kochen tut er im TV heute zwar nicht mehr. Aber stattlich ist er immer noch.  


„Esterházyschnitte light? Niemals!“

FT: Sie zählen zu den Pionieren der Fernseh-Kochsendungen, waren von 1978 bis 1985 der „Häferlgucker“ in der gleichnamigen ORF-Erfolgsserie. Wie schauen Sie auf diese Zeit zurück?

JZ: Ich war damals der erste Fernseh-Zuckerbäcker überhaupt. Über 40 Jahre ist das her. Vieles war anders damals. Ich war noch jung und dynamisch (lacht), und die Fernsehküche hatte einen ernsteren Charakter. Was gekocht und gebacken wurde – das war der Star. Nicht wir Köche! Die Rezepte mussten vor der Kamera fachgerecht zubereitet werden. Da hat man wirklich sehr darauf geschaut. Es sollte ja eine Lehrstunde für die Hausfrau sein, so sagten wir damals, der Begriff war nicht despektierlich gemeint. Alle Rezepte waren darauf ausgerichtet, dass Hausfrauen sie nachkochen konnten. Heute, würde ich sagen, steht das Rezept nicht mehr so im Vordergrund. Heute ist es mehr ..., wie soll ich es beschreiben? Unterhaltung! Es geht in Richtung Kabarett.

Das Rezept, das Kochen und Backen, als Mittel zur Bespaßung?

Kann man so sagen! Heute werden die Sendungen nimmer gemacht, damit die Zuseher die Rezepte nachkochen. Damals aber schon. Was wir vorgemacht haben, wurde wirklich noch daheim nachgekocht. Viel!

Woher wissen Sie das? Ein Feedback via Facebook & Co gab’s damals ja nicht ...

Aber Berge von Post! Sie müssen sich vorstellen: Es gab in Österreich zu der Zeit nur zwei Programme: ORF 1 und ORF 2. Der ORF war der einzige Sender. Und der Häferlgucker lief zur allerbesten Sendezeit, zur Jause abends um halb sieben. 600.000 Zuseher hatten wir. Das war gewaltig. Und wir haben auch gewaltig viel Zuschriften bekommen. Die Leut’ haben genau hingeschaut: Wie macht jetzt der Zauner die oder jene Mehlspeise? Die haben sich genau darauf konzentriert und dann Fragen gestellt.

Und auch Wünsche geäußert? Rezeptwünsche?

Mehr so in Richtung: konkrete Tipps. Beispiel: die Biskuitroulade. Da kamen viele Anfragen: Ich krieg’ das Papier nicht runter vom Teig. Oder: Mein Boden ist nicht knusprig. Tipps in der Art waren sehr begehrt. Das musste ich beherzigen. Solche Sachen genau erklären. Also habe ich die Roulade mit starker Unterhitze gebacken. Eine Roulade wird immer mit starker Unterhitze gebacken ...

... oh, das wusste ich nicht!

Sehen Sie! Und warum mit starker Unterhitze? Weil die Roulade nur so unten schön braun wird. Dann bleibt der Teig beim Stürzen nicht mehr am Backpapier kleben. Weil, wenn die Hitze von oben kommt, bleibt der Teig ja untenrum hell. Er ist nicht durchgebacken. Er kriegt keinen reschen Boden. Dann löst sich das Papier nicht so gut ab. Sondern es reißt den Biskuit förmlich mit sich!

Au weia!

Oder wie man eine Roulade richtig wenden soll. Mit einem feuchten Tuch. Man benetzt das Backpapier mit dem Tuch, dann geht es locker runter. Solche Sachen! Das war der Schwerpunkt.

Backen hat so seine Tücken …

Nehmen Sie eine Erdbeerroulade. Da schrieben mir die Frauen, also, wenn ich die mache, batzt immer die Erdbeercreme an den Rändern heraus. Da hab ich mir das mal zeigen lassen und muss sagen, da wurde in der heimischen Küche mit so Paletten hin- und hergestrichen über den Teig, das hat dann im Ergebnis wirklich nicht so sehr elegant ausgeschaut. Das muss man mit einer Teigkarte schön abziehen, wie wir Konditoren sagen, das hab‘ ich dann im Fernsehen vorgemacht, wie das am besten geht, und die Frauen haben dann geschrieben: Danke für den Tipp! Was man wie genau macht – darum ging’s.

Gewichtige Fragen. Warum hatten die damals so einen Stellenwert?

Naja, vielleicht spielte auch eine Rolle, dass ich ein bisserl ein Jungspund war als Fernseh-Zuckerbäcker. Meine Vorgänger waren ja schon eher betagte Herren, ein bisserl beleibt. Ich war 29, als ich zur Sendung kam. Da hab ich viele Zuschriften von jungen Mädels und Frauen bekommen.

Der Zuseherbrief als Anbandelungsversuch?

Eine hat mal geschrieben: „So ein schöner Anblick, der junge Mann!“ Das hat mich natürlich locker gemacht vor der Kamera. Das war schon klass’!

Es gab Avancen?

Und wie. Durchaus. Auch von älteren Damen. Vielleicht war ich für die Zuseherinnen so eine Art Wunsch-Schwiegersohn (lacht).

Ein Mann, der Biskuitrouladen backen kann!

Ja, die ganz normalen Mehlspeisen für den Alltag – darauf waren die Hausfrauen damals richtig eingeschossen. Auf den Germguglhupf. Den Nussstrudel. Auch auf klassische Torten. Was sie halt von der Oma her kannten: Ostertorte mit Kaffeecreme. Schokoladentorte. Schlagoberstorten waren damals der letzte Schrei. Das war neu. Davor hat man ja nur Buttercremetorten gemacht. Aber die Buttercremetorte blieb trotzdem beliebt. Die hat man als Zuckerbäcker natürlich auch im TV präsentieren müssen. Wie die gemacht wird. Schritt für Schritt.

Und jetzt ist die Buttercreme fast in der Versenkung verschwunden.

Ich bin jetzt seit über 50 Jahren Zuckerbäcker. Als ich ein Lehrling war, ein Jungkonditor, waren die Buttercremetorten das Hauptprogramm in der Konditorei. Auch bei uns. Damals ging man ja ins Kaffeehaus, um etwas zu feiern. Sich etwas Besonderes zu gönnen, das man nicht jeden Tag hat. Da ging man vielleicht mit der Oma einmal im Monat hin. Oder zum Geburtstag. Da durfte so ein Stück Torte noch deftig sein. Eine Buttercremetorte – die hat man gespürt (lacht). Das ist jetzt total anders.

Wann hat sich’s gewandelt?

So in den frühen 80er Jahren. Da konnten sich die Leute mehr leisten. Hatten schon etwas mehr freie Zeit. Sind dann öfter in die Konditorei, ins Kaffeehaus. Heute geht man nicht ins Café, um sich satt zu essen. Man will kein Völlegefühl haben. Heute geht man eher nach dem Besuch in der Konditorei noch zum Abendessen. Man möchte den Genuss. Aber man möchte nicht das Gefühl haben, dass man etwas gegessen hat.

1985 haben Sie als Häferlgucker aufgehört. War der Mentalitätswandel da schon spürbar?

Nicht bei der Produktion der Sendung. Da gab es noch einen fachlichen Berater, das war damals der Präsident der Österreichischen Köche, der ist immer im Regieraum gesessen und hat gesagt: Bitte, bitte, keine Witze! Keine Unterhaltung! Er hat uns Anweisungen gegeben: Konzentriert Euch auf das Produkt. Auf‘s Rezept! Das war nicht erwünscht, dass man da einen Schmäh loslassen hat, also, das war vielleicht hin und wieder einmal geduldet, aber man durfte es nicht übertreiben damit.

So einen gestrengen Aufpasser gibt es heute in Kochsendungen nicht.

Ja, das war schon sehr ernsthaft damals. Aber wenn ich mir das heutzutage so ansehe .... Also, ich möcht’ ja nix sagen, aber ... so wirklich g’fallt mir das, wie’s heute ist, nicht.

Und wo bleibt die Renaissance der Buttercremetorte?

Beim Zauner ist die nie ausgestorben. Unseren Zaunerstollen machen wir seit 1905. Das ist ein üppiges Rezept. Aber dazu stehen wir. Es gibt bei uns auch noch die klassischen Esterházyschnitten. Und die Dobosschnitten. Ich sag’ mal so: eine klassische Esterházyschnitte ist schon gehaltvoll. Wir belassen einige klassische Rezepte wie sie sind. Machen sie heute noch so wie zu Kaisers Zeiten. Diese Klassiker haben ja ihre Berechtigung. Die kann man nicht den Trends anpassen. Dann wären sie ja schließlich kein Zaunerstollen, keine Dobosschnitte, keine Esterházyschnitte mehr. Eine Esterházyschnitte light wird es bei uns niemals geben.

Welchen Tipp zur Buttercreme würde der Häferlgucker heutigen Zuseherinnen und Zusehern geben?

Am geläufigsten sind zwei Arten von Buttercreme: die italienische und die französische. Ich bevorzuge die französische, weil da weniger Zucker drin ist. Die italienische ist hauptsächlich aufgeschlagene Butter, die mit gezuckertem, warm aufgeschlagenen Eiweißschaum gebunden wird. Die französische Herführung ist eine Kombination von Butter und Eigelbcreme, da kommt man mit viel weniger Zucker aus. Deshalb machen wir unsere Buttercreme-Mehlspeisen auch mit der französischen Variante.

Und wie gelingt die am besten?

Mit der richtigen Rezeptur. Und Liebe!

Samma fesch: Der Häferlgucker. Und auch die Esterházyschnitte!


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