Die Geschichte

zum Risi e bisi


Risibisi, Risi e bisi oder Risi e pisi?

Ein Gericht, viele Namen!


Zwei k. u. k.-Damen kommen in der Geschichte ins Spiel. Die eine ist Kochbuch-Königin, die andere Kaiserin. Zwei Städte haben in dieser Erzählung ebenfalls einen Auftritt. Sie streiten sich angeblich bis heute darum, welche von ihnen die Ur-Heimat des Risi e bisi sei: Venedig oder Padua. Ich halte das für unerheblich. Mir geht es um eine andere Frage. Wäre ich für's Casting eines Films zuständig, würde ich es vielleicht so formulieren: Ich suche die Original-Besetzung einer Nebenrolle zu einer weltberühmten Hauptrolle.


"Eviva la Risibisi!"

(Szene aus "Sissi, Schicksalsjahre einer Kaiserin")


Die Idee dazu kam mir bei meinem letzten Besuch in Venedig. Ich saß in einem Restaurant am Canal Grande, bestellte ein Risi e bisi - in der Schreibweise stand es auf der Speisekarte -, und dachte plötzlich an meine Großmutter. Meine Oma war - das habe ich, glaube ich, schon öfter erwähnt, Österreicherin. Und als solche hat sie auch öfter ein Risibisi gekocht. Aber heißt es eigentlich richtig: Risibisi? Oder nicht doch eher: Risi-pisi? Oder vielmehr Risi e bisi? Oder vielleicht doch: Risi e pisi? Die Antwort hängt ganz davon ab, wo man sich gerade aufhält. In Venedig heißt es meist "Risi e bisi". In italienischen Kochbüchern liest man desöfteren "Risi e pisi". Meine österreichischen Verwandten sagen und schreiben immer "Risibisi". Und Katharina Prato (1818-1897), die Kochbuch-Königin, bezeichnete es als: "Reis mit Erbsen (Risi-pisi)".


Von den Tischen Venedigs

auf die Tafeln in Wien.


Während ich also so am Canal Grande sitze und mein Risi e bisi esse, das hier von der Konsistenz und vom Geschmack her eindeutig ein Risotto mit Erbsen ist (cremig und mit Parmesan), überlege ich, was wohl die Kaiserin Elisabeth während ihres zweimaligen Aufenthalts in Venedig so zu den Mahlzeiten bekam - also welche Art von Risi e bisi: eher ein Risotto, wie wir es heute kennen, oder eine andere Zubereitungsvariante?

DASS sie aber ein Risi e bisi serviert bekam, während ihrer Zeit in der Lagunenstadt, davon ist sicher auszugehen. Denn sie verbrachte nicht nur ein paar Tage in der Serenissima. Sondern beim ersten Besuch im Winter 1856/57 gleich mehrere Wochen. Und beim zweiten Aufenthalt, ab Ende Oktober 1861, gute 6 Monate.


Museo Correr, Kaiserliche Gemächer.

In diesem Salon wurde das Mittagessen eingenommen.


Zu Sisis (1837-1898) Zeit war das Habsburgerreich schon jahrhundertelang mit Teilen des heutigen Italien eng verwachsen gewesen, insonderheit mit der Toskana, aber auch mit Neapel und Sizilien. Und seit dem Wiener Kongress 1815 gehörte u. a. auch wieder die für ihren Reisanbau bekannte Lombardei dazu. Und auch Venetien. Die italienische Küche hatte also bereits hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, auf den Speisezettel der Wiener Küche und der Küche im Habsburgerreich Einfluss zu nehmen, dezent zwar, nur hier und da, aber immerhin. Dass man in Oberitalien den Reis wie eine dickflüssige Creme kocht und Parmesan untermischt, hatte sich unter den Wiener Köchinnen Mitte des 19. Jahrhunderts also längst herumgesprochen.


Porträt Kaiser Franz Josephs in

den Imperial Rooms des Museo Correr.


So war es in den maßgeblichen Kochbüchern und unter den herrschaftlichen Köchinnen der Donaumonarchie zu Sisis Zeit state of the art, verschiedene Reissorten unterscheiden zu können und genau zu wissen, für welche Zubereitungsarten sie sich eignen. Man kannte Reisgerichte mit und solche ohne Parmesan. Reisgerichte von eher suppiger Konsistenz. Und solche, wo der Reis die Garflüssigkeit vollkommen aufsaugt. Es gab Erbsen-Reis-Rezepte, bei denen die Erbsen separat gegart und erst am Schluss hinzugefügt wurden. Und solche, wo man beides von Anfang an gleichzeitig miteinander kochte. Absolutes Muss aber bei fast allen Zubereitungsarten war das Garen in einer kräftigen, selbstgezogenen Fleischbrühe. Wahlweise als Hühnerbrühe oder Rindfleischbrühe.

 

Ein Reisgericht mit Erbsen, das mit Knochenmark zubereitet wird, und bei dem man den RUNDKORNREIS erst anröstet, bevor er in Hühnerbrühe gar kocht und zuguterletzt mit Parmesan abgeschmeckt wird, heißt in Katharina Pratos Kochbuchklassiker "Die Süddeutsche Küche": Wälscher Reis (Risotto).

Und ein Reisgericht, bei dem die Erbsen erst mit Zwiebeln angeschwitzt, dann mit Rundkornreis und Hühnerbouillon aufgegossen und zusammen in der Brühe gekocht werden, war im Sinne der Prato ein Risi-pisi.


Unser Risotto hieß zu Zeiten Kaiserin Elisabeths

"Wälscher Reis".


Jetzt kommt aber noch hinzu, dass das Habsburgerreich und die Wiener Küche nicht nur regen Kulturkontakt mit Italien hatten. Sondern, nolens volens damals, auch mit dem Osmanischen Reich. Und das bringt den Pilaw ins Spiel.

Ein Pilaw wurde schon zu Katharina Pratos Zeiten mit LANGKORNREIS gekocht. Dabei wird der Reis in gehörig Fett (meist Schmalz oder Butter) zunächst angeschwitzt und dann mit eben so viel Wasser aufgegossen, dass er gedämpft werden kann. Er kocht also nicht wie eine Suppe, sondern nimmt das Wasser ganz in sich auf. Diese Art Reis hieß bei der Prato und in vielen anderen Wiener Kochbüchern der Epoche "Türkischer Reis (Pilaw)".

Ein Pilaw konnte natürlich auch mit Erbsen kombiniert werden. Und weil der Kulturkontakt mit dem Osmanischen Reich und insofern auch mit der orientalischen Küche und ihrer Vorliebe für Reisgerichte und Frittiertes ("Gebackenes") dem Habsburgerreich (nicht nur bei diplomatischen Treffen) oft genug Anregungen bot, war die Kenntnis, wie ein guter Pilaw zu kochen sei, unter den Wiener Köchinnen und Köchen im 19. Jahrhundert ebenfalls längst state of the art.


Keine Erbsenschoten, sondern Maiglöckchen!

(Sisis Boudoir im heutigen Museo Correr).


Ob ursprünglich aus Venedig stammend oder aus Padua - das oberitalienische Erbsenrisotto, vulgo risi e bisi, war in seinen Ursprüngen wesentlich suppiger in der Konsistenz als heutiges Risotto. Der Überlieferung nach soll es eine Lieblingsspeise des Dogen von Venedig gewesen sein, die ihm traditionell am Tag des Hl. Markus, dem 25. April, kredenzt wurde - als eine Art Reissuppe.

Die Wiener Küche lernte das Reiskochen sowohl von den Türken, als auch von den Italienern. Und aus beiden Kulturkreisen hatte sie auch die Kenntnis unterschiedlicher Reissorten: Rundkornreis und Langkornreis. Reis war, egal welcher Sorte, in ganz Europa und so auch in Österreich eine eher teure Zutat. Und deshalb lange Zeit den herrschaftlichen und höfischen Tafeln vorbehalten. Und keine Alltags-, sondern eine Festtagsspeise.


Das traditionelle Wiener Risibisi wurde

im 19. Jh. mit Rundkornreis gekocht.


Otto Desbalmes (1859-1925), der im Dienste der k. u. k.-Hofküche von 1874 bis 1918 stand, kochte Reis mit Erbsen in einer Mischung aus Pilaw- und Risotto-Tradition: Er dünstete den Reis in Gänse- oder Entenschmalz oder Butter an, garte ihn dann in so viel Hühnerbrühe, das er nicht suppig wurde und kombinierte ihn je nach Rezept und Anlass anschließend mit verschiedenen fertig gegarten Gemüsen, Pilzen, Saucen und manchmal auch Parmesan.

Wohlschmeckendes Fett (in unserem Falle heute: Butter), Zwiebeln, Rundkorn- oder Langkornreis und eine eher flüssigkeitsarme Garmethode (Dämpfen) in Fleischbrühe sind also wesentliche Grundzüge vieler Reisgerichte der traditionellen Wiener Küche.

 

Fehlt nur noch, dass ein solches Reisgericht am Wiener Hof und in der herrschaftlichen und bürgerlichen Küche niemals ein Gericht nur für sich alleine sein konnte. Ein primo piatto wie in Italien hatte sich im 19. Jahrhundert in Oberdeutschland noch nicht eingebürgert.

Reis war eine Beilage. Auch ein Erbsenreis konnte also nur eine Beilage sein. Und als solche konnte sie nicht die suppige Konsistenz eines venezianischen Risotto der Dogenzeit aufweisen. Sondern eher die trockenere des türkischen Pilaw. Und wozu wurde diese elegant grün-weiße und von Brühe und Butter glänzende Beilage schlussendlich serviert?

 

Zu einer in Fett goldgelb gebackenen Köstlichkeit. Zum sonntagsfeinen, edlen Fleisch vom Kalb.

Das Risibisi spielt traditionell die glänzende Nebenrolle zur weltberühmten Hauptfigur, dem Wiener Schnitzel. Bis heute ist es in manchen österreichischen Haushalten die klassische, um nicht zu sagen: obligatorische Beilage dafür. Oder, wie meine 91-jährige Tante Traudi in Klagenfurt zu sagen pflegt: "Zum Schnitzel gibt's Risibisi. Punkt."


Zwei, die sich mögen:

Das Wiener Schnitzel und das Risibisi



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