Die K-Frage


Kompott? Unbedingt!


Wer kam auf die Idee, zum Wiener Schnitzel, Hirschfilet, Rehbraten oder Gamsschlegel Kompott zu servieren? Diesen "Jemand" (bei Hofe servierten früher nur Mannsbilder) können wir nicht mehr ausfindig machen, aber das "Warum" durchaus: Einfach, weil es praktisch war! Schließlich standen in der Hofsilberkammer jede Menge Terrinen, schmucke Schüsseln und Platten herum, die nur darauf warteten, endlich bei Tische zeigen zu können, was sie so draufhaben - all das, was in der Hofküche gezaubert wurde. Und diese Köstlichkeiten kamen alle gleichzeitig auf den Tisch. Nicht unbedingt alle zig Gerichte auf einmal, aber doch eine ganze Gang von Speisen auf einen Streich, sprich: pro Menüfolge. Man nennt das Service á la francaise - ein Festmahl besteht demnach aus mehreren Gängen. Und jeder Gang aus mehreren Gerichten. Da kommt schnell mal was Süßes neben Salzigem zu stehen.


Man isst unter sich ...


Ein Festmahl bei Hofe war in etwa so wie ein Dinner Date heute: Man wollte glänzen. Und auch ein bisschen angeben. Und sich im besten Lichte zeigen. Also großzügig sein! 1682 erschien eine Vorschrift für diese Fälle, das "Haus-Feld-Arzney-Koch-Kunst-Wunder-Buch", ein Ratgeber für gastfreie Haushaltungen. Es beschreibt "wie man nach französischer Art ein grosses Banquet anstellen soll". Und das hieß: Sich nicht lumpen lassen und acht Gänge einplanen (mit jeweils mindestens 10 Gerichten).


Welches Schüsserl hätten's denn gern?


Beim zweiten Gang sah das Wunderbuch aufwendig dekorierte Teller mit Melonen und Früchten zu Wildbret und Pasteten vor; beim dritten Gang kleine Schüsselchen mit Pomeranzen und Citronen zu Hasen, Wildtauben, Rebhühnern und Fasanen. Beim achten Gang wurde die Überlegung angestellt, Confitüren aufzutragen, nachdem im fünften, sechsten und siebten Gang bereits allerlei Gebratenes mit Früchten, dazu Karpfen, Hechte und bunte Wackelpuddings ("färbichte Gallerten") für Ahs! und Ohs! gesorgt hatten. Zucker war teuer, eine Rolex ist nichts dagegen, und Confitüren waren in etwa so chic wie Riberys mit Blattgold überzogenes Tomahawk-Steak.



Kompott oder Compott - das ist die Frage!

Aber natürlich: Nicht alle bei Tisch haben alles AUF diesen Tischen gegesssen - man ließ sich von den Domestiken einiges vorlegen, manches empfehlen - und lehnte dieses und jenes selbstredend auch mal dankend ab. Es ging nicht darum, viel zu essen. Sondern darum, viel zu sehen! Trotzdem schlug die Sitte auf den Bauch.


Den Ernährungskompass gab's noch nicht.


Und war äußerst personalintensiv! Als die Domestiken den Job bei Hofe nicht mehr so interessant fanden, die Zeitläufte schneller, und überhaupt nach der Französischen Revolution die Restaurants erfunden und das Speisen öffentlicher wurden, erschien die Idee der Schüssel-und Plattenorgien nicht mehr so sexy. Ende des 18. Jahrhunderts trat in Paris dann ein russischer Gesandter auf den Plan, dessen Major Domus den Einfall hatte, die heimische Sitte des Service à la Russe auch in der Seine-Metropole fortzusetzen. Im russischen Zarenreich wurde das Essen nach orientalischem Brauch kredenzt: appetitlich portioniert auf individuellen Tellern. Eine Essenseinladung beim russischen Gesandten war damals der letzte Schrei. Die Sache kam an.


Darf's noch ein Gangerl mehr sein?


Dreihundert verschiedene Gerichte, wie bei einem fürstlichen Hochzeitsmahl im 16. Jahrhundert, waren schließlich auch für die Wohlstandskörper der Belle Époque zuviel des Guten. Für sportlichere Naturen zumal: Kaiserin Elisabeth von Österreich beispielsweise marschierte um 1890 während eines Urlaubstages mal eben 30 Kilometer - und ließ sich anschließend ein Glas frisch gemolkener Kuhmilch servieren. Dennoch stand Askese nicht generell auf dem Plan. Nur ein bisschen Downsizing. Neun bis 14 Gänge galten um 1900 als vornehm - einer hübsch nach dem anderen.


Glanzstück der Tafel.


Eines aber blieb: Die Erinnerung, dass Zucker eine königliche Zutat war. Selten, kostspielig, luxuriös. So edel, dass nur fürstliche Tafeln sich damit schmücken konnten. Und ihr Wildbret damit krönten. Kompott und Marmelade aß man mit dem Löffel. Bedächtig. Und weil Erinnerungen so ausschweifend sein können wie die banquettes im Schloss von Versailles, hielt sich der Brauch, edles Fleisch mit Konfitüre zu adeln, ziemlich lange. Bis heute. Drum bitte: Gnade mit den Preiselbeeren zum Schnitzel!


"Der Ausgang dieses Banquets

bestehet in allerhand

Confituren, Conserven

und gecondisirten."

(Haus-Feld-Arzney-Koch-Kunst-Wunder-Buch 1682)


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Das Ganze mit Musik bitte! Das Video zur K-Frage!