FoodTorian Talk:

Coronation -

Behind the scenes

Interview mit Stefan Pappert

Chef to The Royal Household



Keine Einladung erhalten?

Hier gibt's den Blick durchs Schlüsselloch:


"Eine halbe Million Mahlzeiten."

Stefan Pappert ist als Chef to The Royal Household maßgeblich beteiligt an den kulinarischen Vorbereitungen zur Krönung von König Charles III. am 06. Mai 2023. Ein Gespräch über die Logistik von Mega-Events, zehn Elefanten und was das Münchner Oktoberfest und die Champions League mit der Coronation zu tun haben.

The FoodTorian: Zur Krönung von König Charles III. und Königin Camilla am 6. Mai sorgst du als Chef to The Royal Household für das leibliche Wohl.

Stefan Pappert: Nicht ich allein! Das ist eine Mannschaftsleistung. Wir sind ein Team von 40 Leuten, zuständig für alles, was bei diesem Mega-Event mit Kulinarik und Verköstigung zu tun hat. Das beschränkt sich nicht nur auf den Tag der Krönung, auf die Zusammenstellung der Menüs, die Überlegung, ob wir jetzt Holunder oder Apfel fürs Dessert nehmen. Das ist knallharte Logistik. Für die Coronation – und die Events drumherum. Der Countdown für die heiße Phase läuft seit dem 24. April. Unser Job wird erst eine Woche nach der Krönung beendet sein. Sämtliche Planungen dafür begannen vor Monaten.

FT: Was ist dein Part im Vorfeld?

SP: Ich bilde die Vorhut der Logistik.


Die Krönungskutsche der britischen Könige.


FT: Das klingt mehr wie ein Speditionsunternehmen. LKW statt goldener Kutsche.

SP: Wer wird bei der Coronation alles verköstigt?

FT: Die königliche Familie, Staatsgäste, Freunde, Verwandte der königlichen Familie ...

SP: ... und alle, die eine tragende Rolle bei diesem historischen Ereignis spielen. 2000 Gäste erhielten offizielle Einladungen. Die königliche Familie und ihr Inner Circle alleine sind gut 400 Personen: Staatsgäste, Königsfamilien, die Royal Family und ihre Verwandten, Nichten, Neffen, engste Freunde. Für die gibt es Pre-Parties, Lunch und Dinner am Tag vorher, am Tag der Krönung das Get-together auf dem Balkon von Buckingham Palace, am Abend das festliche Gala-Dinner. Doch was ist mit den Security Leuten, den Royal Guards, der Kings Guard, was mit der berittenen Garde, den Kutschern? Den Polizisten, Feuerwehrleuten, den Ärzte- und Rettungsteams in Bereitschaft? Wo essen die Pfarrer von Westminster Abbey, die Musiker und Chöre, die Posaunisten des Königs, die Arbeiter, die die Um- und Aufbauten für die Zeremonie vornehmen? Wo die Fernsehteams? Wo kriegt Sir Andrew Lloyd Webber, der das Anthem für die Coronation komponiert, etwas zu essen? Seit dem 1. Mai finden in der Westminster Abbey jeden Tag Proben statt.


Komponist der Krönungshymne:

Sir Andrew Lloyd Webber.


FT: Und das Küchenteam muss ja auch etwas essen!

SP: Genau wie das Wäscherei-Team. Wer bügelt unsere Küchenuniform? Wer bestickt die Kochjacken mit dem Coronation-Logo? Wer sorgt dafür, dass wir unsere Arbeitsschuhe wechseln können? Wir brauchen Umkleidekabinen, Toiletten, Waschmöglichkeiten. Lieferanteneingänge, Verlademöglichkeiten, Kühlhäuser, wir brauchen Leute, die täglich mehrmals unsere Küchenmesser schärfen, wir brauchen fließend Wasser, Spülen, Arbeitsflächen, Müllcontainer, Öfen, Dunstabzugshauben, Lüftung, Heizung, Elektriker, die die Anschlüsse vornehmen - und im Notfall schnell etwas reparieren. Wir brauchen Strom – und zwar so viel wie ein ganzer Stadtteil. Auch dieser Strombedarf musste im Vorfeld genauestens geplant werden.

FT: Ganz klar: Ihr schwingt nicht mal eben den Feenstab, nur um ein paar Menüs zu zaubern.

SP: Wir werden auf gut eine halbe Million Mahlzeiten kommen. In einem Zeitraum von 2 ½ Wochen.


Das offizielle Krönungsemblem.


FT: Hat der Deputy Master of The Royal Household für solche Ereignisse nicht eine Blaupause in petto?

SP: Die letzte Krönung ist 70 Jahre her.

FT: Das heißt, niemand wusste im Vorfeld genau, wie diesmal der Hase läuft?

SP: Nicht in Bezug auf die Logistik und Infrastruktur behind the scenes einer Krönungsfeierlichkeit im Jahr 2023! Als Queen Elizabeth 1953 gekrönt wurde, war die Infrastruktur in Bezug auf Strom, Kühlung, Wasser, Lieferlogistik noch von den Folgen des Zweiten Weltkriegs beeinträchtigt. Von den Menschen, die das damals organisierten, konnten wir niemanden mehr befragen. Sie leben nicht mehr.


"Eine Blaupause gibt es nicht.

Die letzte Krönung war vor 70 Jahren."


Offizielles Krönungsportrait von Queen Elizabeth II.

(by Cecil Beaton)


FT: Als Chef to The Royal Household hast du deinen Jahresurlaub immer im September genommen. Und dann auf dem Münchner Oktoberfest gearbeitet.

SP: Die Coronation of Their Majesties ist eines der größten royalen Events der letzten Dekade. Größer als die Jubilee-Feierlichkeiten im letzten Jahr. Von der Logistik her aber nicht viel anders als die Münchner Wiesn. Die plant man ja auch nicht eine Woche vorher. Unser Job fing damit an, konkrete Szenarien zu entwerfen: Wo werden wir kochen? Mit welchen Geräten? Wie kriegen wir die 500.000 Mahlzeiten reibungslos über die Bühne? Und nicht zuletzt: Wann machen wir was? Timing ist extrem wichtig.

FT: Was war die größte Herausforderung?

SP: Der Aufbau der Küchenlogistik. Die Zentralküche von Westminster Abbey wird normalerweise für die Verköstigung von täglich über 600 Royal Guards genutzt. Während der Coronation dient sie ausschließlich der Verköstigung des Inner Circle der Royal Family. Die Gärten von Cloisters in Westminster sind von hohen Mauern abgeschirmt. Niemand kann da reinschauen. Dort haben wir vor Wochen schon die Feldküchen aufgebaut - mit exakt festgelegten Räumen für jeden Arbeitsablauf. Getrennt nach warmer und kalter Küche. Warme Küche braucht heiße Teller, Krabbencocktails oder Salate brauchen kalte Teller. Wir haben Kühlhäuser nur für Fisch. Nur für Hähnchen. Nur für Lamm und anderes Fleisch. Wer Fisch benötigt, geht ausschließlich in den Fisch-Kühlraum. Warum? Weil er dort exakt findet, was er gerade braucht - fein sortiert nach Datum. Dito mit Geflügel und anderen gekühlten Zutaten. Wir haben unsere Laufwege berechnet. Den High Tea ausgelagert - die brauchen riesige Schlagkessel für Schlagsahne und Crème Chantilly und jede Menge Platz für das Bestücken der Etagèren mit Sandwiches und Patisserie. Alleine für die Zitronen haben wir hinter dem Küchenzelt einen eigenen Container. Jede LKW-Lieferung braucht eine eigene Akkreditierung. Da kann nicht jeden Tag einfach mal so irgendein Lieferwagen anrollen! Die Mengen, die gebraucht werden, sind im Vorhinein exakt zu berechnen und zu ordern.

FT: Für eine halbe Million Mahlzeiten!

SP: Deshalb haben wir in unser Team alte Hasen geholt. Leute mit jahrelanger Expertise im Event Cooking. Den Küchenchef von Chelsea zum Beispiel. Oder den Küchenchef von Glastonbury. Das ist ein Riesenkulturfestival jedes Jahr im Juni. Da werden täglich 500.000 Menschen verköstigt. Als Lead Chef im Wembley Stadium weiß ich ebenso, was es heißt, mal eben 40.000 Leute zu bekochen. Und die Erfahrung auf der Wiesn hilft natürlich auch.


Für die Coronation geordert:

Pasta im Gewicht von 10 Elephanten.


FT: Was steht auf der Bestellliste für die Coronation? Kannst du Beispiele nennen?

SP: Alleine von der Pasta her: 10 Tonnen. Das entspricht dem Gewicht von zehn Elefanten. Ab dem 24. April dann jeden Tag 500 Kilo Salat. Dafür müssen wir pro Tag 850 Liter Caesar-Dressing mixen. Exaktes Portionieren ist extrem wichtig.

FT: Wie macht ihr das?

SP: Teil der Vorbereitungen ist es, jeden einzelnen Portionierlöffel genauestens zu beschriften: Tomatensaucenportionierer, Portionierer für Salat, für Wildjus, für Lammjus, für Vinaigrette, usw. Die haben alle ihren genau festgelegten Platz. Alle in unserem Team arbeiten extrem präzise. Am 2. Mai haben wir begonnen, sämtliche Saucen und Fonds vorzukochen. Insgesamt bereiten wir 45 verschiedene mehrgängige Menüs zu. Hinzu kommt das Essen für die Kinder, die Pages of Honour. Und natürlich glutenfreie und vegane Gerichte.


"Die Erfahrung auf der Wiesn

hilft natürlich auch."


Spielen bei der Coronation eine tragende Rolle:

Die Pages of Honour.


FT: Vorgesehen sind 60 Gramm Fleisch pro Teller je Fleischgang, mit exakt 15 Milliliter Sauce. Da darf nicht der kleinste Tropfen daneben gehen.

SP: Wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Stell dir vor, Princess Anne kommt rein und sagt, sie hat noch einen Gast mitgebracht! Oder, nur als Beispiel, die Königin von Dänemark ließe ausrichten, sie vertrage heute leider dieses oder jenes nicht. Was machen wir da?

FT: Nun?

SP: Cool bleiben. Einfach von den anderen Tellern bisschen was wegnehmen und neu verteilen. Im zweiten Fall: Auf alles vorbereitet sein. Schockstarre können wir uns nicht leisten. Die Fußballköche im Team kennen das aus dem Effeff.

FT: Fußball als Trainingscamp für die Coronation?

SP: Am 6. Mai ab 11 Uhr wird es richtig heiß. Dann beginnt die kritische Phase. Wir in der Küche müssen dann auf alles gefasst sein. Nimmt der König jetzt noch zehn Glückwünsche entgegen? Oder läuft alles exakt auf die Minute? Sollen wir noch warten oder nicht? Sollen wir jetzt, in der 87. Minute, alles fertig machen zum Essenrausschicken oder warten wir ab? Was passiert, wenn es 4 Minuten Verlängerung gibt und nach der Verlängerung ein Elfmeterschießen? Wer für die Champions League kocht, weiß, worauf es im entscheidenden Moment ankommt: Erfahrung und Fokus.


Stefan Pappert, Chef to the Royal Household.

Stefan Pappert bekochte Queen Elizabeth II. und Prince Philip. Hier das Interview:



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